Nachrichtenkompetenz auf Augenhöhe

Abstract:
Nachrichten sind langweilig und Social Media lügt? Vorurteile sind ein gewaltiges Hindernis – auch wenn es um Nachrichtenkompetenz geht. Warum? Weil sie den Austausch behindern und Fronten verhärten. Die Bildungsinitiative SPREUWEIZEN setzt deshalb bei allen Angeboten auf Augenhöhe. Aber, was heißt das jetzt genau?
Schlaues Feuilleton, dreistes TikTok?
„Na ja, ich mag sie halt. Weil sie schön ist und mutig.“ Sara (Name geändert) sagt das über ihre Lieblings-Influencerin, der sie mehrmals täglich auf TikTok begegnet. Dass Menschen Content Creator:innen einen großen Raum in ihrem Leben einräumen, ihnen vertrauen, sich nach ihnen richten, ist ein soziales Phänomen und heißt „parasoziale Beziehung“.
Obwohl wir die Personen auf dem Bildschirm nie analog getroffen haben, fühlen wir uns verbunden, sogar befreundet. Als Sara von ihrer Bewunderung erzählt, spricht sie leise und lächelt dabei unsicher. Denn in diesem Workshop geht es um Nachrichten und ihre Verlässlichkeit. Und vor Sara hat gerade ein Teilnehmer erzählt, wie er mit seinen Eltern regelmäßig die Tagesschau guckt. Da entsteht doch ein Kontrast, oder?
Journalismus braucht eine stabile Lobby
Social Media und klassischer Journalismus – diese gelten schnell als gegensätzliche Pole eines Spektrums. Journalismus ist der Salat, den alle gern vorgeben am liebsten zu essen. Social Media das Junk Food, das einfach mehr kickt. Aber, so schön das Bild auch ist: So einfach ist es eben nicht. Und ja, es gibt ohne Frage entscheidende Unterschiede, die es auch geben sollte.
Qualitätsjournalismus arbeitet nach definierten Standards wie Aktualität, Überparteilichkeit und Transparenz. Doch längst ist klar: ein zukunftsfähiger Journalismus muss seinen Weg auch in Kanälen wie Instagram, YouTube und TikTok suchen, um jüngere Zielgruppen zu erreichen und zu begeistern. Hier kommen Einzigartigkeit und Unterhaltsamkeit als entscheidende Faktoren hinzu.
In Zeiten von Desinformation, dem wieder erstarkenden „Lügenpresse“-Vorwurf und Alternativen Medien ist klar: seriöser Journalismus braucht eine stabile Lobby und professionelle Faktenchecks sind dringlicher denn je. Die Bedeutung der Presse als „vierte Gewalt im Staat“ darf nicht in Vergessenheit geraten. Denn Journalismus bildet Lebensrealitäten ab, regt Diskurse an, ermächtigt zur Meinungsbildung, übt Kritik.
Fakes entlarven
Im Workshop sind die Teilnehmenden jetzt dabei zu sortieren, für was sie Social Media nutzen: Hobbys, Unterhaltung und Zeitvertreib, Informationen über lokale und globale Vorgänge. Und alle sind okay. Denn das Ziel ist hier nicht, ein Ranking zu erstellen. Sondern zu zeigen: es gibt eine große Vielfalt. Und genau das ist bereichernd.
Dass dies so ist, beruht auf Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes, der die Meinungs- und Pressefreiheit regelt. Im Austausch wird klar: alle haben einen guten Grund, Informationen auf die von ihnen gewünschte Art und Weise zu konsumieren. Und alle sind sich letztlich einig: Wir wollen nicht auf Fakes reinfallen, egal in welchem Lebensbereich. Wir wollen nicht belogen, nicht instrumentalisiert werden. Wir brauchen verlässliche Informationen und damit letztlich Profis, bei denen wir nachprüfen können, was sich hinter knalligen Aussagen verbirgt – ob wir uns berieseln lassen möchten oder Infos für ein Referat suchen.
Kritisieren und Wissen teilen
Junge Menschen sind die Expert:innen ihres eigenen Mediennutzungsverhaltens und die meisten wissen sehr gut Bescheid über die marktorientierten Mechanismen von Plattformen: Influencer:innen machen Werbung für Produkte, um Geld einzunehmen. Krasse Inhalte verbreiten sich schneller, Gefühle spielen eine große Rolle auf Social Media. Und genau darum geht es. Zu verstehen, Kritik zu äußern, Wissen zu teilen.
Mittlerweile arbeiten die Workshop-Teilnehmenden in Gruppen und untersuchen: Wie genau sind die Unterschiede zwischen einem Tagesschau-Beitrag und einem Influencing-Video eigentlich beschaffen? Was zieht mich an, was wirkt vertrauenswürdig? Und wie ist das für die anderen ringsum um mich? Die Debatte aus dem digitalen in den analogen Raum zu übertragen, schafft eine andere Intensität und verweist darauf zurück, für was Social Media im Grunde antritt: uns miteinander in Kontakt zu bringen.
über SPREUWEIZEN
Mit unserer Bildungsinitiative SPREUWEIZEN bringen wir Medien, Journalismus und Politik praktisch und interaktiv in die Schulklasse, den Seminarraum und aufs Podium. Wir vermitteln, wie Nachrichten funktionieren und wie man Desinformationen begegnet: in Workshops, Games, Vorträgen und Fortbildungen.
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