Im Gespräch mit Kathrin Warnecke, Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN Hamburg Eimsbüttel, 17.07.2024
Wer bist du und was machst du?
Ich bin Kathrin Warnecke, bin 48 Jahre alt und im Bezirk Eimsbüttel Fraktionsvorsitzende für die GRÜNE-Bezirksfraktion. In der vergangenen Amtsperiode war ich Sprecherin im Jugendhilfeausschuss. Von Haus aus bin ich Sozialarbeiterin und arbeite selbstständig als gesetzliche Berufsbetreuerin. Die Bezirkspolitik ist mit einer Aufwandsentschädigung versehen, die in Ordnung ist. Wir arbeiten alle ehrenamtlich und sind zusätzlich berufstätig.
Was macht man eigentlich als Fraktionsvorsitzende, was sind Aufgaben?
Auf der einen Seite strukturieren wir bestimmte Dinge, zum Beispiel die Fraktionssitzungen, um dort besprechen zu können, wie wir uns zu Anträgen verhalten wollen. Wir sind außerdem für die Kommunikation nach außen zuständig, auch mit den Fraktionsvorsitzenden anderer Parteien. Wir sind im Grunde Sprecher:innen unserer Fraktion.
Was habt ihr als GRÜNE in Hamburg für Themen, für was steht ihr ein?
Wir haben den Anspruch, alle Themen, die in der Eimsbüttler Bezirkspolitik anstehen, zu bearbeiten. Unser Schwerpunkt liegt stärker als bei anderen Parteien auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit, jetzt zunehmend auch Klimafolgenanpassung. Wir bringen außerdem die Mobilitätswende in Hamburg voran und bewegen im Bezirk das Thema Stadtplanung, Wohnungsbau und Jugendhilfe, soziale Themen also. Als Bezirksversammlung sind wir in Eimsbüttel gewissermaßen das Kontrollorgan des dortigen Bezirksamts. Neben der Verwaltung stehen wir auch im Austausch mit Sportvereinen, Initiativen, Geflüchtetenhilfe – mit allem, was sich im ehrenamtlichen Bereich organisiert. Wir verwalten hier keinen eigenen Haushalt, verfügen aber über Sondermittel. Das sind rund 1 Million im Jahr. Die können wir vergeben an diese Initiativen und Vereine. Damit sind wir eine Schnittstelle zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft.
Was hat dich dazu bewegt, dich politisch zu engagieren? Gab es ein auslösendes Erlebnis?
Ja, tatsächlich. Das ist eine Geschichte, von der ich weiß, dass sie ein bisschen kitschig klingt. Ich bin bei den GRÜNEN seit 2017. Ich habe mich immer mit dem Gedanken beschäftigt, einmal Mitglied bei einer Partei zu werden und hatte das sogar auf einer Bucketlist stehen:
Ein Klavier kaufen
Mitglied bei den GRÜNEN werden
Nach New York reisen
Und dann bin ich Mitglied bei den GRÜNEN geworden und es ist zu nichts anderem mehr gekommen. Diese Liste fiel mir wieder in die Hände, als ich 41 war. Das war 2017. Hier wurde Trump gewählt, der Brexit fand statt, Pegida war unterwegs, die AfD wurde immer stärker. Emanuel Macron ist vereidigt worden. Das habe ich zufällig im Fernsehen gesehen. Für seine Rede an die Nation hatte er sich nicht die Marseillaise [Nationalhymne der Französischen Republik], sondern Beethovens Ode an die Freude, also die Europahymne ausgesucht. Dieses Lied und er als Hoffnungsträger, seine Worte – das alles war der Auslöser, mich politisch zu engagieren. Macron hat gesagt, dass das Wichtigste der europäische Zusammenhalt und die Integration ist. Er sagte, unsere Generation sei jetzt dran, Politik zu gestalten. Als ich feststellte, dass er jünger ist als ich, habe ich gedacht: jetzt wird es Zeit. Dann habe ich einen Mitgliedsantrag bei den GRÜNEN gestellt, bin nach einiger Zeit von anderen in der Partei angesprochen worden, ob ich mich nicht mehr einbringen wolle, und jetzt spreche ich selbst Menschen an und frage, ob sie mitmachen wollen.
Was sind speziell deine Themen, die du voranbringst?
Demokratie verteidigen war bei meinem Einstieg mein Thema, Sozialpolitik ist noch immer meine Herzensangelegenheit. Außerdem die Digitalisierung und Effizienz von Verwaltung. Als gesetzliche Betreuerin stelle ich viele Anträge für andere und bin in ständigem Kontakt mit der Verwaltung. Ich kenne das Gefühl – wenn auch sicher nicht in dem Ausmaß wie meine Klient:innen –, wenn Verwaltung nicht reagiert. Als Antragsstellende muss man eine unfassbare Menge von Unterlagen für Sozialsicherungs- oder Grundsicherungsanträge beifügen und alles ganz genau belegen. Im Gegensatz zur stichprobenartigen Prüfung von Steuererklärungen steht das in keinem Verhältnis. Mein Thema ist also auch die Beziehung von Bürger:innen und Verwaltung. Die Stigmatisierung von Bürgergeldempfänger:innen spielt eine große Rolle für mich. Im Bezirk können wir sozialpolitische Themen vor allem über den Jugendhilfeausschuss und Sozialraumauschuss bewegen.
Du trittst auch ein für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, wie kam es dazu?
Das ist im Grunde ein Querschnittsthema. Aber das Bewusstsein dafür, dass es ein Querschnittsthema ist, war nicht besonders präsent in der Bezirkspolitik, als ich angefangen habe. Im Bezirksverwaltungsgesetz steht, dass Kinder und Jugendliche an allen sie betreffenden Verwaltungshandlungen zu beteiligen sind. Häufig haben Politik und Verwaltung daraus gelesen: Wenn wir ein Spielplatz planen, müssen wir Kinder und Jugendliche fragen. Das passiert auch, unterschiedlich gut. In Wirklichkeit ist das natürlich zu wenig. Alles, was im Bezirk passiert, hat Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche und was in deren Zukunft passiert, teilweise noch viel größere Auswirkungen als auf das Leben älterer Menschen. Ich habe das Thema Kinder- und Jugendbeteiligung verstärkt aus dem Jugendhilfeausschuss in Beteiligungsverfahren z.B. zur Mobilität gebracht und bin dafür eingestanden, dass junge Menschen auch hier in angemessener Weise beteiligt werden.
Was sind deiner Meinung nach die Vorteile, wenn sich Kinder und Jugendliche beteiligen – sowohl für die Stadtgesellschaft als auch für die Kinder und Jugendlichen selbst?
Es geht darum, dass Kinder und Jugendliche Demokratieerfahrungen machen, also verstehen, dass sind nicht die da oben – die Politiker, die am Schreibtisch und aus dem Nichts heraus entscheiden. Sondern es sind unglaublich viele Stimmen und Institutionen beteiligt an den politischen Prozessen. Es ist wichtig, dass man selbst feststellt, dass Demokratie anstrengend ist, aber alternativlos. Dass Demokratie davon lebt, mitzumachen. Mindestens wählen zu gehen, sich zu interessieren. Außerdem sind die Ergebnisse einfach besser. Wir hatten bei der Kinder- und Jugendbeteiligung bei Spielplätzen gerade in letzter Zeit teilweise sehr gute Beteiligungsprozesse. Die Kinder und Jugendlichen konnten zum Beispiel klarmachen, dass auf einem bestimmten Spielplatz gar nicht der Platz selbst, sondern das Gestrüpp dahinter mit seinen vielen Geheimgängen und außerdem der Rutschenturm wichtig für sie sind. Das alles sollte vor Ort bleiben. Wir haben festgestellt, es braucht Ecken, dich nicht einsehbar sind. Wir neigen heute dazu, dass alles gute Sichtachsen braucht, Eltern müssen immer alle Ecken im Blick haben. Aber es entspricht den Bedürfnissen von Kindern überhaupt nicht. Es ist nicht nachhaltig, wenn man ohne die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen plant.
Du hast gesagt, Demokratie ist immer anstrengend. Sind dann Beteiligungsprozesse nicht herausfordernder für Kinder oder bringen sie mehr Geduld mit als Erwachsene?
Das ist immer das schlagkräftigste Argument gegen Kinder- und Jugendbeteiligung. Die Verwaltung hat zur Zeit meines Einstiegs in die Politik immer gesagt – was mich wirklich gehemmt hat –, bei Beteiligung machen Kinder keine Selbstwirksamkeitserfahrungen, denn Bezirkspolitik ist als Teil der Exekutive zu langsam. Im Grunde haben sie uns gesagt: Die Macht der Erwachsenen ist auf der Bezirksebene schon so überschaubar, dass es bereits für die schwierig ist, motiviert zu bleiben. Kinder hält man da nicht motiviert. Ich glaube, da sind 2 Denkfehler drin:
Wir brauchen Kinder und Jugendliche, damit unsere Entscheidungen besser werden.
Kinder und Jugendliche unterschätzt man. Zum Beispiel bei der Entwicklung des Sozialen Leitbildes Eimsbüttel 2040: Durch die Beteiligung von jungen Menschen kamen wirklich vernünftige Vorschläge heraus. Wenn man darüber diskutiert, wie wir in Zukunft eigentlich leben wollen, dann weiß man auch mit 8 oder mit 12 oder 15 Jahren, was man sich für 2040 wünscht.
Wichtig ist, zu Anfang die Erwartungen zu klären – also dass es sein kann, dass bis 2040 nicht das umgesetzt ist, was man sich wüscht. Bei Erwachsenenbeteiligung ist das nicht anders. Außerdem muss Politik zurückspiegeln, was aus der Beteiligung geworden ist, ob und wie Ideen und Anträge umgesetzt werden konnten. Und warum sie umgesetzt oder nicht umgesetzt werden. Ergebnisse sollten unbedingt dargestellt werden für alle, sodass die mehrheitliche politische Haltung für alle nachvollziehbar ist, zum Beispiel online über Internetauftritte der Stadt Hamburg.
Sind die Projekte für Beteiligung entstanden, weil es gesetzlich vorgeschrieben ist, die Beteiligungsverfahren mit diesen Gruppen durchzuführen?
Ja, das Bezirksverwaltungsgesetz Paragraf 33 sagt, dass es notwendig ist, Kinder und Jugendliche zu beteiligen. Aber wie jede Rechtsnorm ist auch das auszulegen. Dort heißt es etwa: „sind in angemessener Weise zu beteiligen bei allen Entscheidungen, die sie betreffen“ – welche Entscheidungen betreffen sie und was ist angemessen? Darüber muss dann diskutiert werden.
Wie verläuft die Auswahl der Beteiligten bei Kindern und Jugendlichen? Kannst du feststellen, dass zum Beispiel eher Gymnasialschüler:innen beteiligt werden?
Das Vorurteil stimmt nur bedingt. Wenn man Kinder und Jugendliche anschreibt oder anspricht, kommt vorbei und macht mit – dann ist es natürlich oft davon abhängig, ob man Eltern hat, die dazu motivieren. Wenn man solche Beteiligungsformate macht, sind es tendenziell bildungsnahe Elternhäuser, die ihre Kinder dazu ermutigen. In der Kinder- und Jugendarbeit aber sind oft Kinder aus eher bildungsfernen Elternhäusern und die können von den Menschen dort motiviert werden.
Wäre es vorteilhaft, eine Quote zu haben, gleiche Prozentanteile von Stadtteilschulen, Gymnasien und inklusiven Schulen?
Das klingt zunächst gut, doch in der Realität wäre es vielleicht nicht ideal. Es gibt Beteiligungskonzepte, die ganz interessant sind, zum Beispiel den sogenannten Achterrat in Freiburg. Dort beteiligen sie alle 8. Klassen in verschiedenen Schulen und fragen offen nach den Interessen und aktuellen Themen der Jugendlichen. Wichtig ist: Beteiligt man Kinder und Jugendliche, braucht es pädagogisches Fachpersonal, das selbst unabhängig ist. Man braucht also jemanden, der Spielräume klarmachen und in Beteiligung unterstützen kann. Der aufzeigt, was man darf und was nicht.
Was sind eigentlich Kinder- und Jugendparlamenten, gibt es so etwas in Hamburg?
Es gibt Kinder- und Jugendparlamente oder Beiräte, sie geben Kindern und Jugendlichen in der Gemeinde eine Stimme und bringen ihnen Demokratie und Partizipation näher. In Hamburg gibt es sie nicht, aber in vielen anderen Städten.
Warum nicht?
Es gibt Kommunen, die haben seit 20 Jahren Kinder- und Jugendparlamente. Es ist vermutlich leichter, sie auf kommunaler Ebene anzusiedeln. Weil die Themen dort leichter zu bearbeiten und zu überschauen sind. Wenn man einen Spielplatz oder einen Park plant, dann ist die Beteiligung dafür leichter zu organisieren. In der Legislative, also in gesetzgebenden Verfahren der Landesparlamente, ist das eine große Herausforderung. Nun ist Hamburg ein Stadtstaat. Wir haben die Bezirksparlamente, doch sind eine Einheitsgemeinde. In Berlin haben wir die BVV [Bezirksverordnetenversammlungen] mit größeren Befugnissen als wir in Hamburg auf dieser Ebene. Vielleicht konnten sie deshalb z.B. in Berlin Wilmersdorf so erfolgreich ein Kinder- und Jugendparlament umsetzen. Rot-Grün hat sich jetzt in Hamburg darauf verständigt, dass es auch hier zukünftig Parlamente oder Beiräte auf der Bezirksebene geben soll.
Wir haben in Hamburg auch andere Institutionen, die Beteiligung ermöglichen. Es gibt zum Beispiel Mitmachtage in Museen, es gibt Veranstaltungen, während denen man Instrumente im Park ausprobieren kann. Der NABU macht Kinderführungen, die Freiwillige Feuerwehr führt Kinder ans Ehrenamt heran. Oder im Sportverein kann man selbst zum Übungsgruppenleiter werden und Verantwortung übernehmen.
Ist es eine der wesentlichen Aufgaben von Trägern der Kinder- und Jugendhilfe Beteiligung ihrer Zielgruppen voranzubringen, oder ist es Aufgabe einer anderen Ebene oder Institution in Hamburg?
Ich glaube, es gibt kein anderes Berufsfeld, das sensibilisierter dafür ist als das. Das gehört zu deren Selbstbild, zum Selbstbild der Sozialen Arbeit. Weshalb es manchmal ein Kommunikationsproblem z.B. zwischen Schule und Sozialer Arbeit gibt. Weil es ein völlig anderer Blick auf Kinder und Jugendliche ist. Ja, das ist Aufgabe von Trägern der Kinder- und Jugendhilfe. Sie wissen außerdem: Wenn sie nicht beteiligen, dann kommt eben keiner zu ihren offenen Angeboten. Man muss die Kinder und Jugendlichen fragen, was sie wollen.
Das heißt, sie werden direkt von der Basis aus befragt?
Ja, genau. Es muss schon interessieren. Sie müssen es wollen, es ist ja alles freiwillig. Und wenn das Handy zu Hause auf dem Sofa spannender ist, dann kommt da eben keiner.
Vielleicht kann man sich dann von der Arbeit der Träger etwas abgucken? Denn wenn sie von Anfang an mitdenken, junge Menschen einzubinden und zum Beispiel dem Handy als Konkurrenz etwas entgegenzustellen, können wir sicher an anderen Stellen davon lernen.
Das Interessante ist ja, dass Unterhaltungsmedien nicht weggedacht werden. Wir waren zum Beispiel überrascht, dass ein Träger der Kinder- und Jugendhilfe von dem Geld, das ihnen zur Verfügung stand, eine Playstation gekauft hat – die Jugendlichen hatten so entschieden, also hat der Träger es umgesetzt. Wichtig war dann, dass die Jugendlichen sich selbst Regeln für die Nutzung auferlegt haben – also welches Alter darf wie viel Minuten mit der Playstation spielen zum Beispiel. Und da haben Kinder und Jugendlichen einen guten Blick dafür.
Das Deutsche Kinderhilfswerk hat eine Zusammenstellung der Beteiligung von Kinder und Jugendlichen[1] herausgegeben. Sie vergleicht und analysiert verschiedene Bundesländer mit Blick auf Kinder- und Jugendbeteiligung. Der Bericht zeigt zum Beispiel, welches Bundesland die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Landesverfassung verankert hat. Die gesetzliche Beteiligung auf kommunaler Eben ist beschrieben, genauso welche Interessenvertretungen für junge Menschen es in den einzelnen Bundesländern gibt. In Sachsenanhalt, Niedersachsen und in Bayern gibt es – und in allen anderen Bundesländern nicht – Kinderbeauftragte bzw. Kinderkommissionen. Hast du das schon mal gehört? Warum gibt es so etwas in Hamburg nicht?
Kinder- und Jugendausschüsse sind etwas, das im Sozialgesetzbuch geregelt ist. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist, wie gesagt, im Bezirksverwaltungsgesetz geregelt. Doch ich habe das Gefühl, dass dieses Thema – Beteiligung von jungen Menschen – zwischen den Ebenen irgendwie wegrutscht. Es ist vermeintlich nicht groß genug für Landesebene und zu groß für Bezirksebene. Der Bezirk hat nicht ausreichend Befugnisse und das Land fühlt sich nicht zuständig. In Hamburg haben wir da eine paradoxe Situation. Bei uns gibt es diese reine kommunale Ebene einfach nicht. Wenn es in anderen Ländern Kinderkommissionen gibt, dann gibt es die vielleicht auf Bürgerschaftsebene bzw. auf Landesebene.
In dem Bericht wird genannt, dass es zwischen Maßnahmen zur Beteiligung und Finanzkraft eines Landes keine Zusammenhänge gibt, weil sowohl stärkere als auch strukturschwächere Länder gleichermaßen Beteiligungsformate in Deutschland aufweisen. Ist das auch deine Erfahrung, dass Geld nichts mit Beteiligung zu tun hat?
Das wäre schön. Wenn zum Beispiel ein Kinder- und Jugendparlament eingeführt werden soll, brauchen wir eine Vollzeitstelle in jedem Bezirksamt. Oder es braucht eine externe Fachstelle vergleichbar mit dem System der Ombudstellen. Es gibt Ombudstellen der Kinder- und Jugendhilfe jetzt in Hamburg, relativ neu in allen Bezirken. Die werden bezirksübergreifend von einer durch einen sozialen Träger getragenen Fachstelle begleitet. Wenn es um die Verankerung solcher Institutionen in der Sozialpolitik geht, muss man ziemlich laut sein. Ich bin überzeugt, das Geld wäre da.
Also ist es der politische Wille, der da sein muss. Auch im Bericht ist genannt, das Geld sei nicht der Grund, aber der politische Wille, es einzusetzen. Was hältst du von der Idee, das Wahlalter auf 14 runtersetzen, um Beteiligung von jungen Menschen zu stärken?
Grundsätzlich meine ich, es braucht Informationen darüber, welche Parteien es gibt und was deren Programme sind. Vor fünf Jahren hätte ich noch gesagt: auf jeden Fall, lasst uns das Wahlalter senken. Jetzt, nach den Ergebnissen der Europawahlen 2024, im Rahmen derer viele junge Menschen rechtspopulistische Parteien gewählt haben, denke ich: Damit junge Menschen diese Entscheidung fällen können, müssen sie ausreichend ausgewogene Informationen haben. Träger aus der politischen Bildung zum Beispiel könnten verstärkt in die Schulen kommen, um das Angebot im Sozialkunde- oder Politikunterricht zu ergänzen und über Parteiprogramme aufzuklären.
Social Media trägt auch zur Meinungsbildung und vielleicht zum Wahlverhalten bei. Die CSU und AfD bspw. sind über TikTok sehr bekannt. Was macht ihr bei den GRÜNEN, um junge Menschen über Social Media anzusprechen?
Es ist die Frage, inwiefern es etwas bringt, auf TikTok unterwegs zu sein. Die Präsenz dort ist nicht gleichbedeutend mit Erfolg und Reichweite. Ich bezweifle, dass wir da an der AfD vorbeiziehen können.
Aber hältst du es für wichtig? Glaubst du, andere Parteien, die nicht im rechtspopulistischen Spektrum verortet sind, müssen sich Gedanken machen, wie sie erfolgreicher auf Social Media werden?
Dass wir da sein müssen, stimmt. Ich sehe bei meinen Social Media-Accounts: Alles, was ist poste, sieht in erster Linie die Politik-Blase. Auf TikTok auf Augenhöge mit der AfD zu kommen – ich habe keine Ahnung, wie man das macht. Vielleicht ist das sogar möglich. Oder es ist besser, politische Bildung dazu zu machen, wie TikTok funktioniert. Und zu versuchen, Kinder und Jugendliche auch außerhalb von TikTok zu erreichen. Es braucht eine große Medienkompetenz. Es braucht ganz gezielt digitale Bildung an dieser Stelle, und Eltern und Lehrer:innen müssen mitgebildet werden. Doch wenn die Träger der politischen Bildung in die Schulen gehen, brauchen sie Geld. Und dann sind wir beim schwierigen Thema „Projektfinanzierung“. Es müsste geregelt sein, dass das dauerhafte Angebote sind und junge Menschen eine anhaltende vielfältige politische Bildung aus der Zivilgesellschaft erfahren.
Habt ihr denn als Partei Social-Media-Manager:innen, gibt es eine Stelle bei den GRÜNEN, die Öffentlichkeitsarbeit macht und bezirksübergreifend genutzt werden kann?
Nein. Wir haben zwar in Eimsbüttel jemanden, der unseren Social Media Account betreut und u.a. dafür inzwischen einige wenige Stunden pro Woche angestellt ist. Die einzelnen Bezirksabgeordneten haben ihre eigenen Accounts, die sie mehr oder weniger pflegen. Auf Bundesebene gibt es entsprechende Stellen. Auf Bezirksebene sind wir im Ehrenamt. Wir haben zwar etwas Ressourcen für Personalstunden. Doch die sind mit Antragserstellung und -diskussion und mit dem Kontakt zu Bürger:innen vollauf beschäftigt.
Hab herzlichen Dank für das Gespräch, Kathrin – danke dir für deine Gedanken, deine Ideen, dein Engagement und deine Zeit.
Das Gespräch mit Kathrin Warnecke hat Katharina Fries am 17. Juli 2024 in der Pony Bar im Hamburger Grindelviertel geführt. Veröffentlicht wurde eine gekürzte und mit Kathrin abgestimmte Fassung.
Quellen:
[1] Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Eine Zusammenstellung der gesetzlichen Bestimmungen auf Bundesebene und ein Vergleich der Bestimmungen in den Bundesländern und auf kommunaler Ebene. Hrsg. v. Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 3. komplett überarbeitete Auflage. 2019 Deutsches Kinderhilfswerk e.V., Berlin. Online: https://www.dkhw.de/fileadmin/Redaktion/1_Unsere_Arbeit/1_Schwerpunkte/3_Beteiligung/3.11_Studie_Beteiligungsrechte/Studie_Beteiligungsrechte_von_Kindern_und_Jugendlichen.pdf [letzter Zugriff: 31.07.2024]
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